Mit der Nasenspitze immer einen Schritt voraus

Essen. Beatrix Gutmann erlebt ihre Kindheit in der Gegend um Kamp-Lintfort am Niederrhein. Sie besucht dort zunächst die Hauptschule – und langweilt sich. Später wechselt sie auf die Handelsschule in Moers. Ihr Abschlusszeugnis fällt nicht sehr gut aus. Beatrix zählt zum Jahrgang der Baby-Boomer und weiß nicht, welcher berufliche Weg zu ihr passt. Sie absolviert eine Ausbildung zur Bürokauffrau, aber:

Beatrix Gutmann. Ihr Vater war Bergmann. Das Whiskyglas steht für ihre Liebe zu Schottland. Foto: digiheads.de

Das Kaufmännische interessiert sie gar nicht

„Ich habe mich gefragt: Was mache ich danach? Ich war zu feige, ins Ausland zu gehen“, erzählt sie bei unserem Interview. Beatrix arbeitet einige Jahre in ihrem Beruf, der sie nach Duisburg führt. Neun Jahre bleibt sie im Stahlhandel bei Klöckner. Die junge Frau durchläuft dort alle Bereiche von der Auftragsabwicklung über Verschiffung bis zur Programmierung im Controlling. Parallel drückt sie die Schulbank und macht das Abitur.

Als sie in der Firma keine Perspektive mehr für sich sieht, wechselt sie als Assistentin der Geschäftsführung zu Epson in Düsseldorf. Beatrix langweilt sich bald und kündigt nach einem Jahr.

Das BWL-Studium sieht nach einer brauchbaren Alternative aus

Sie beginnt das Studium an der Fernuniversität Hagen, stellt jedoch schnell fest, wie wenig sie das Thema interessiert. Statt dessen lässt sie sich bei der DAA (Deutsche Angestellten Akademie) zur Handelsfachwirtin ausbilden.

Das Kaufmännische klebt an ihr

Beatrix Gutmann, Foto: privat

Der nächste Job führt sie zu „Teekanne“. In einem Zusatzstudium befasst sie sich mit Marketing.

Während einer Kuba-Reise lernt sie ihren zukünftigen Mann kennen. Frisch vermählt zieht Beatrix in seine Heimatstadt Wolfsburg, arbeitet halbtags bei einer Wohnungs- und Immobilienverwaltung. Sie führt in dem damals noch analog arbeitenden Büro Excel-Tabellen ein. „Ich habe dort immer irgendwas gefrickelt oder elektronisch umgesetzt und gemerkt, wie viel Spaß mir das macht“, fügt Beatrix hinzu. Die Ehe hält nicht lange. Niedersachsen kann die quirlige Frau nicht halten:

„Ich war total unzufrieden und musste da schnell weg“

Ein langjähriger guter Freund, Wolfgang Trepper, unterstützt sie bei der Suche nach einer Wohnung für sie und ihren Hund.

Ohne Geld in Duisburg

„Mit seiner Hilfe kam ich bei Radio Duisburg unter“, führt sie fort. „Ich arbeitete im Redaktionssekretariat und schulte die Sekretärinnen. Gemeinsam mit Wolfgang bereitete ich Sendungen vor, schrieb Radio-Comedy, kam endlich wieder auf die Beine.“ Doch nach einem Jahr ist sie mit dem Thema durch.

Bei cityweb.de, einem Internet-Provider, arbeitet Beatrix eine Weile im Bereich Customer Care/Kundenreklamation, erstellt Statistiken, ist Marketingleiterin im Bereich Kundenbeziehungs-/Content-Management und installiert Banner-Schaltungen – eine bunte Mischung, die ihr sehr viel Spaß macht.

Als es mit der Firma bergab geht, startet sie 2006 ihren ersten Blog „Alltäglicher Wahnsinn“. Ihre täglichen und provokanten Geschichten schaffen die ersten Kontakte zu anderen Bloggern. Es ist ihr Einstieg ins Web 2.0 und in die Social Media-Branche.

Beatrix mit Australian Shephard-Hündin Lisa, Foto: privat

„Ich wollte schreiben und redaktionell arbeiten“, erzählt sie weiter. Als cityweb.de zum Nachrichtenportal ‚Der Westen‘ wechselt, arbeitet Beatrix dort als Community-Managerin, betreut Blogger, schreibt für die Ressorts Kultur, Gesundheit und über Tiere.
Gleichzeitig belegt die vielseitig interessierte Frau das Fernstudium Journalismus an der FJS Berlin mit dem Schwerpunkt Online-Journalismus. Parallel baut sie die Online-Nachrichten-Community ‚Lokalkompass‘ auf.

Beatrix wechselt kurzfristig als Social Media Consultant zu Douglas in Hagen: „Intranet, Facebook – was heute selbstverständlich ist, war damals für viele Unternehmen ganz neu. Mir machte es sehr viel Spaß, das alles aufzubauen“, erzählt sie mit leuchtenden Augen.

Der frühere Arbeitgeber wirbt sie ab

Seit Ende 2011 arbeitet die Journalistin als Leiterin Social Media und Community Management wieder beim Lokalkompass in Essen. Parallel schult sie als Teilselbstständige Verlage und die Volontäre der FJS Berlin. Nebenbei baute sie in der Hauptstadt die Funke Digital Academy mit auf.

„Mich interessiert alles Digitale“

Eine Trennung von Beruf und Privat kennt die reiselustige Frau nicht: „Mein Thema ist das Lehren. Ich möchte mein Wissen weiter geben. Netzwerken ist einfach mein Ding.“ Und Beatrix hat das Gespür, wohin sich die digitale Welt bewegt.

Ein schwerer Autounfall wird zum einschneidenden Erlebnis

Beatrix Gutmann, Foto: privat

„Wo geht es mit mir hin?“, fragt sich Beatrix in der langwierigen Genesungszeit.

Vor zwei Jahren begegnet ihr das „Big Brother-Big-Sister-Projekt“. Sie wird Mentorin für ein damals dreizehnjähriges Mädchen aus einer belasteten Herkunftsfamilie: „Mir gibt es viel, denn ich sehe mich selbst in dem Alter. Eigenwillig, nicht anpassen wollend, mit viel Potential.“

Neben ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit Fotografie, Kochen, Stricken, Golfen und vielen anderen Themen.

Ihre Wünsche für die Zukunft:

„Lebenslanges Lernen, immer Neues entdecken und ausprobieren, viel Reisen und Unterwegssein – solange kann ich gar nicht leben, wie ich noch Interessen habe“, beschließt sie lachend unser Gespräch.

Beatrix Leitsatz:

„Leben und leben lassen“ und das Kölsche Grundgesetz „Et kütt wie et kütt! Et hät noch immer jot jejange!“

Weitere Infos unter http://www.beatrix-gutmann.de

Text: Annette Mertens
Fotos: privat und http://digiheads.de

Interessen für mehr als ein Leben

66 Gedanken zu “Interessen für mehr als ein Leben

  1. Pingback: Zwei Mädels aus dem Pott | Ruhrköpfe

  2. Die bewegende Geschichte einer sehr interessanten Frau. Herzlichen Dank für eure Einblicke! Jeder Mensch ist einzigartig und hat eine Geschichte zu erzählen und ich finde es großartig, dass du sie „zeigst“. Das Ruhrgebiet hat wunderbare Ruhrköpfe :-)
    Ganz liebe Grüße, Emily

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  3. Spannender Lebenslauf, der zeigt, dass es sich lohnt, immer aktiv zu bleiben und dass man den eigenen individuellen Weg finden kann. Die Hürden auf dem Weg sind mitunter keine, sondern Möglichkeiten, sich und das was man will noch besser zu erkennen. Am Ende sollte man das was man tut auch mit aller Entschlossenheit tun.

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  4. Eine interessante Vita, sehr quirrlig die Frau..schön, dass sie gefunden hat was ihr Freude bereitet…so soll es sein.
    Alle Guten Wünsche und viel Erfolg und Zufriedenheit für ihre Zukunft!
    Gut berichtet liebe Annette, danke!
    Liebe Grüße
    von der Nixe

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  5. Es gibt ja fast nichts, was Beatrix ausgelassen hat und ich würde mal vermuten, dass sie mit dem Weg noch nicht zu Ende ist. Vielleicht schreibt sie mal ein Buch über ihre bewegte Zeit und die viele Energie die sie für Bildung aufgewendet hat. Es liest sich so leicht, aber es erfordert unmengen an Disziplin dieses Tempo durchzuhalten. Danke für die schönen Einblicke liebe Annette :-)

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  6. Und immer wieder gerne komme ich in deinem Ruhrpottfenster in deiner WortPorträtgalerie vorbei und lese. Lebendige & gut geschriebene Vorstellungen deiner Wahl. Schön so. Danke.

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