#S(ch)ichtwechsel

So heißt nicht nur seine Ausstellung, so könnte man auch sein Leben auf zwei Kontinenten betiteln: Den gebürtigen Rheinländer aus Bonn verschlägt es vor etwa vierzig Jahren nach Dortmund. Bereits während des BWL-Studiums bereist er Mitte der 1970er-Jahre mehrfach mit seinem „VW-Bulli“ Asien über Land, insbesondere Iran, Pakistan, Indien, Afghanistan oder Sri Lanka.

Die Reisen prägen ihn

Heute nur noch schwer und ohne Gefahren erreichbar: Die Band-e-Amir-Seenkette liegt in der Provinz Bamiyan am Hindukusch in Afghanistan und besteht aus sechs Seen, die ähnlich den Plitvicer Seen durch natürlich entstandene Travertindämme aufgestaut sind, Foto: Walter Keller

Nach erfolgreichem Abschluss als BWLer beginnt Walter Keller  das Zweitstudium im Fachbereich Ethnologie, was er jedoch vorzeitig beendet, denn parallel etabliert er sich Anfang der 80er-Jahre als freier Journalist und Fotograf. Seine Schwerpunktthemen sind Wirtschafts- und Entwicklungspolitik. Er arbeitet viel für die damals frisch gegründete „taz“, für andere Zeitungen und Zeitschriften im deutsch-sprachigen Ausland und für die Hörfunksendung „Thema heute“ beim WDR 2, häufig in enger Zusammenarbeit mit den ARD-Asien-Korrespondenten.

„Wer etwas lange genug macht, wird automatisch zum Experten“

Portrait von Walter, Foto: Walter Keller

 fügt Walter schmunzelnd hinzu. So dauert es nicht lange, bis er als Gutachter von fast allen deutschen Verwaltungsgerichten im Zusammenhang mit Asylverfahren, z.B. von Tamilen, die vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka geflohen sind, bestellt wird. Fünfzehn Jahre übt er neben seiner journalistischen Tätigkeit diese Aufgabe aus. Seine umfangreiche Erfahrung und sein Wissen von den Zuständen vor Ort fließen dabei in bis zu hundert Gutachten pro Jahr ein.

Außerdem arbeitet er für die Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung (heute GIZ: Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) im Rahmen der landeskundlichen Vorbereitung, bei der Walter Lehrgänge für Experten, die nach Sri Lanka, Indien, Nepal oder Bangladesch ausreisen, als Dozent durchführt.

„Als freiberuflicher Journalist lässt sich die Auftragslage oft schlecht einschätzen“

Abenteuerliche Autoverladung im Süden Indiens: Die Überfahrt nach Sri Lanka, Foto: Walter Keller

Die Kombination dieser drei Standbeine entspannt die finanzielle Situation für Walter. „Außerdem war ich durch die Verkettung der drei Jobs immer ‚up to date‘. Den Zeitaufwand für eine Sache konnte ich häufig in allen drei Bereichen nutzen“, ergänzt er.

So lässt das Angebot eines Kurzzeitaufenthaltes von maximal drei Monaten als Berater für Sri Lanka im Auftrag der Bundesregierung ebenfalls nicht lange auf sich warten, denn Walter pflegt Kontakte zur Bevölkerung, Politikern und zu Rebellen vor Ort. Seine Aufgabe: Die Folgen des Bürgerkrieges im Norden Sri Lankas einschätzen, eine Studie zur „Möglichkeit der Arbeit“ in dieser Region verfassen und prüfen, welche wirtschaftliche Förderung z. B. zum Wiederaufbau einer Salzgewinnungsanlage nötig sind.

Aus geplanten drei werden erst mal sechs Monate…

 „Der Tsunami brachte in der ehemaligen Kriegsregion wieder alles durcheinander. Ich musste mich entscheiden“, erzählt Walter, „Alle drei Tätigkeiten ließen sich langfristig zeitlich nicht mehr miteinander vereinbaren“.

Er erhält von der GIZ das Angebot, die Projektleitung für ein Verwaltungsförderungsprojekt für zwei Provinzen mit achtzig Kommunen zu übernehmen: „Es musste viel Geld umgesetzt werden, um die Region wieder aufzubauen. Es war eine sehr stressige Zeit“. Walter bleibt bis zum Ende des Projektes 2014 dort und kehrt nach elf Jahren Sri Lanka nach Dortmund zurück.

Dengue-Fieber und Malaria haben ihm während seiner Tropenaufenthalte nicht viel anhaben können

Ende 2015 bricht er jedoch während einer Reise mit seiner Frau bei einer Wanderung im Schwarzwald zusammen. Ein Rettungshubschrauber bringt ihn in eine Klinik, in der er die nächsten zwei Monate verbringt. Infolge einer lebensbedrohlichen Erkrankung verliert der sportlich gebaute 1,90 m-Mann siebzehn Kilo Gewicht. Ein Jahr braucht Walter für die Regeneration. Heute sind alle Werte im grünen Bereich. Es geht ihm wieder gut. Mit inzwischen 65 Jahren ist Walter seit ein paar Monaten offiziell Rentner. Er arbeitet nur noch ehrenamtlich in einem Beirat und entscheidet bei deutlich geringerem Zeitaufwand mit über Anträge für Hilfsprojekte.

Kanal-Idylle, Foto: Walter Keller

Seit etwa zwei Jahren legt Walter als Fotograf fast täglich unzählige Kilometer auf dem Fahrrad im gesamten Dortmunder Stadtgebiet zurück – seine Kameras hat er immer dabei. Das hält ihn nicht nur fit, sondern es liegt ihm sehr viel daran, die häufig noch unbekannten, schönen Seiten unserer Stadt zu zeigen.

Cabrio auf dem ehemaligen Industriegelände Phoenix-West, Foto: Walter Keller

Walters Wunsch für die Zukunft: Sein gesammeltes Fotomaterial als Buch publizieren.

Ansonsten darf alles bleiben, wie es ist, besonders die Gesundheit.

Sein Motto ist ein Zitat von Arthur Schopenhauer: „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts“.

Weitere Infos unter

https://third-eye-photography.jimdo.com/

www.dortmunder-augenblicke.de

„Where have all the rebels gone“ Foto: Walter Keller

Wer mag, kann Walters kostenlosen Bilderdienst abonnieren: Wöchentlich werden aktuelle Dortmund-Fotos per e-mail im pdf-Format versandt. Kostenloses Abonnement bestellen über walter.keller@yahoo.de

Text: Annette Mertens

Fotos: Walter Keller

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Sichtwechsel – ein Leben auf zwei Kontinenten

70 Gedanken zu “Sichtwechsel – ein Leben auf zwei Kontinenten

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  5. Liebe Annette! Danke, dass Du uns so viele wirklich interessante Menschen vorstellst! Ich finde es toll, soviele verschiedene Lebensentwürfe kennenzulernen! Und natürlich wirft die Beschreibung auch ein höchst positives Bild auf die Autorin, die ein sehr gutes und differenziertes Einfühlungsvermögen an den Tag legt…Ein wunderschönes Wochenende, Nessy

    http://www.salutarystyle.com

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  6. Lieber Walter, dass wir beiden uns erst spät in unserem Leben, nämlich im Jahre 2009 in Sri Lanka kennen gelernt und recht schnell Freundscahft geschlossen haben, zähle ich zu den glücklichen Begegnungen in meinem Leben. Sie werden, wenn man wie ich schon weit vorangeschritten ist im Leben, immer wichtiger und irgendwie auch „halt“-barer, nicht zuletzt, weil sie auch gegenseitig Halt geben können. Und dass die Annette auf Dich gestoßen ist, ist eine weitere schöne Möglichkeit, Euch Beiden meine Grüße aus Bad Nauheim zu übermitteln, wo ich mich regelmäßig auch über Deine wunderbaren Fotos aus DO und Umgebung freue – m. a. W. ich bin ein Fan von Dir und stolz darauf, Dich zu kennen. Ausserdem freue ich mich ab jetzt auf weitere Blog-Beiträge von Annette. Bis bald! Peter Paulenz

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    • Lieber Peter, super dass du geschrieben hast. Vielen Dank dafür. Durch meine Bilder und einige Besuche hier in Dortmund siehst du – als jemand der in der Frankfurter Gegend lebt – mittlerweile die Stadt mit anderen Augen. Man kann durchaus gut hier leben, was ja viele, die das Ruhrgebiet und vor allem Dortmund nicht kennen, kaum glauben wollen. Dortmund ist nicht nur der BVB, es gibt viele schöne Ecken in dieser grünen Stadt: Das Schöne und Liebenswerte der Westfalenmetropole liegt im Detail. Allerbeste Grüße nach Bad Nauheim, Walter

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  7. Für mich war – neben der fraglos beeindruckenden Biographie und der einfühlsamen Darstellung einer beeindruckenden Person – vor allem die mitschwingende Erkenntnis wichtig und schön, dass Wissen, Kenntnisse, Erfahrungen an vielen Stellen nützlich sind. Vor allem das ist für mich eindrucksvoll. In einer Welt, in der Expertise und Erfahrung für ein Thema, ein Fachgebiet, eine Region zunehmend als behindernd bei Entscheidungen betrachtet wird, ist es wundervoll zu lesen, dass ein Mensch wie Walter Keller seine Kontakte, sein Wissen, das Netzwerk aus Erfahrungen und Kenntnissen so vielfältig und produktiv einsetzen konnte – und auf so verschiedenen Feldern, mit sich wandelnden Schwerpunkten.

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  8. Was für ein interessantes Leben von Walter Keller Du uns vorstellst, liebe Annette! Keller konnte aufgrund authentisch erworbener Kenntnisse sein unregelmässiges Einkommen als Reisejournalist durch diese gut bezahlten Nebenjobs optimal ergänzen. Danke!
    Ich bin sehr jung (22) per Autostopp in 15 Monaten von der Schweiz über Israel (Kibbuz) nach Nepal und zurück gereist und kenne die damals schönen Länder vom Nahen und Mittleren Osten aus diesen Zeiten. Grüess Ernst

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  9. Liebe Annette,
    da hast du wieder ein super tolles Interview geführt und einen besonders interessanten Menschen gefunden.
    Meinen RESPEKT für solch ein erfülltes Leben und mit der Fotografie im Jetzt,
    ist meine Begeisterung kaum zu bremsen.

    Danke dafür und ganz <3 liche Grüsse,
    Uschi

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  10. Spannend, dieses Leben, der Charakter, die vielseitigen Tätigkeiten, Erlebnisse … Interessant auch vermittelt von dir, Annette! Vielen Dank!
    Dem Herrn Keller einen Gruß und ein zusätzliches Dankeschön für die gestatteten Einsichten und seine Fotos!

    Liebe Grüße
    Michèle

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  11. Auf dem Fahrrad mit Kameras fahren. Wow. Ich hab ja meine auch auf dem Fahrrad dabei, wüsste aber gerne, ob es eine gute Alternative gibt zu: Motiv sehen, bremsen, anhalten, vom Fahrrad hüpfen, Kamera aus dem vorderen Korb holen, Fahrrad abstellen, ans Motiv pirschen… (wenn es etwas Lebendiges ist, ist es jetzt oft schon weg).

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    • Liebe Jaelle – na ja, es ist nicht immer ganz einfach und komfortabel, mit Fahrrad und Kameras unterwegs zu sein. Andererseits macht mir das noch mehr Spaß, im großen Stadtgebiet von Dortmund ist zu Fuß gehen oft nicht so das Richtige. Wichtig ist ein Kamerarucksack und Fahrradtaschen für z.B. zweiten Kamerabody und Objektive. Beste Grüße, Walter

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  12. Liebe Annette, du hast einen sehr vielseitigen Charakter beschrieben, welche nicht nir interessante Themen aufgegriffen hatte, sondern immer eine soziale Komponente mit verbaut hat. Ein Leben der Fotografie zu widmen wäre auch mein Wunsch für die restliche Zeit, denn jedes Bild ist auch immer ein Dokument, mal mehr, mal weniger! Dir einen wunderbaren Sonntag :-)

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    • danke dir, lieber Arno. Du bist jemand, der seine Träume in die Tat umsetzt, also ist es nur noch eine Frage der Zeit ;-) (Wobei ich deine Kochrezepte vermissen werde ;-) ) Liebe Grüße und für dich ebenfalls einen angenehmen Frühlingssonntag, Annette

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      • Lieber Arno, fang mit dem Fotografieren besser heute als morgen an. Muss ja nicht so intensiv sein wie bei mir, der ich fast jeden Tag unterwegs bin. Fotografieren ist einfach super und wenn du dabei auch noch Rad fahren kannst – umso besser. Viel Glück und alles Gute, Walter Keller

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