Wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen

Mich hat dieses Thema gepackt und erklärt vieles, was für mich bisher nicht erklärbar schien.

Was fällt dir dazu ein? Hast du dich mit diesem Thema näher beschäftigt? Bist du ein Kriegskind/Kriegsenkel oder Kriegsurenkel? Ist das Thema für dich relevant?

(Für alle, die sich damit noch nicht beschäftigt haben: Als Kriegsenkel gelten die in den 1960er und 70er-Jahren geborenen Kinder der Kriegskinder des 2. Weltkrieges. Daraus lässt sich in etwa ableiten, wer zu welcher Generation gezählt wird)

German Angst?

German Angst? Kriegsurenkel? Kriegsenkel? Kriegskinder?

137 Gedanken zu “German Angst? Kriegsurenkel? Kriegsenkel? Kriegskinder?

  1. Als mein Grossvater aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft kam , sprach er nicht mehr. Meine Grossmutter nach der Flucht aus Schlesien-allein mit fünf Kindern, galt als traumatisiert. Mehr ist nicht rauszufinden, aber man erkennt bei den Kindern eine weitergegebene Last, der sich letztendlich auf die Enkelgeneration auswirkte. Das schweigen ist das was nicht zu durchdringen ist und das macht es unglaublich schwer die wunden zu schließen.

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      • Ja die kenne ich. Danke noch einmal für diesen Hinweis. Es ist eine gute Möglichkeit, um die die aus dem Familiensystem herausgefallen sind, wieder hinein zu holen. Oder aber Beweggründe sichtbar zu machen. Es macht sichtbar .

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  2. Ein sehr interessantes Thema Annette! Ich zähle auch zur Enkel Generation, aber ganz ehrlich kann ich mit dem Begriff der „German Angst“ sehr wenig anfangen. Ich wuchs direkt an der Grenze zur Tschechoslowakei auf. Für uns war es nahezu normal, dass dort eine Grenze ist. Störte niemanden, wurde – außer von meinem Großvater und Eltern sonst gesellschaftlich nicht thematisiert. Komisch wurde es mit dem Fall des „Eisernen Vorhanges“, denn da ging es fast bruchlos so weiter. Keine besondere Freude. Aber als ich mich dann näher mit der Geschichte des 2. Weltkrieges in unserer Region befasste, kam mir das „kalte Grauen“. Mir wurde klar warum die Grenze nicht thematisiert wurde, denn knapp 20 km vom Vernichtungslager Flossenbürg entfernt waren von 1941 bis Kriegsende überall ZwangsarbeiterInnen, vor allem Kriegsgefangene gezwungen worden. Es dauerte einige Jahre an einige der Namenslisten zu gelangen, und wie es derzeit immer noch scheint – und mir von älteren Leuten berichtet wurde – war keine(r) dieser damals 18 – 25jährigen SoldatInnen aus Polen, ehem. Jugoslawien und Russland jemals wieder nach Hause geommen. ;-( Deren sterbliche Überreste sollen sich hier in der Region in bislang nicht festgestellten Masssengräbern befinden. Was mich hier am meisten ärgert ist, dass es den hier für Klärung Verantwortlichen (der Politik) nahezu egal zu sein scheint. Während man hier Wehrmachtsangehörige zweifelhaften Rufes besonders ehrt, werden diese Nazi-Deutschland befreienden Soldaten (scheinbar immer noch) als Feinde angesehen.
    Wieder mal meine „alte Leier“, aber dies ist es was mich seit einigen Jahren besonders beschäftigt, wenn ich an den Zweiten Weltkrieg denke! LG Michael
    P.S. Da wir jetzt scheinbar medial erst einmal mit „Berlin“ und „Charité“ den Ersten Weltkrieg so lala aufarbeiten, dürfte die Aufarbeitung des 2. Weltkrieges so um das Jahr 2050 erfolgen.

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  3. Ich bin Jahrgang 1971 und empfinde das Thema 2. Weltkrieg/ Nationalsozialismus als unerschöpflich. Das liegt vermutlich an der emotionalen Teilnahme, die durch die Familien transportiert wurden. Auch Schweigen kann viele Emotionen transportieren. Meine Kinder sind emotional nicht mehr so involviert. Wir versuchen ihnen das Thema gleichwohl zu vermitteln. Ich habe darüber auf meinem Blog geschrieben. https://schreibenwaermt.wordpress.com/2018/10/02/frueher-war-gar-nichts-besser/#more-394

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  4. Als ich ein Kind war, unterhielten sich meine alten Tanten ständig über ihre Flucht aus Ostpreussen. Als ich davon Albträume bekommen habe, hat meine Mutter es ihnen in meiner Gegenwart verboten.
    Über ihre Kriegserlebnisse im Bunker usw. Sprach sie erst als ich älter war und das Thema auch in der Schule behandelt wurde.
    Manchmal werde ich heute noch mit einer abgrundtiefen Angst wach und Filme über die damalige Flucht muss ich direkt abschalten.

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  5. Ich gehöre zur Enkelgeneration. Meine Großeltern waren Jahrgänge 1922 bis 1930. Das ältere Pärchen, väterlicherseits, ist für mich viel schwieriger. Sie haben diese Vergangenheit, als gut erlebt. Für sie waren ganz selbstverständlich die Dinge, die Ideologien und Ideen jener Zeit nicht vorbei, überholt. Freilich, sie lebten anders, aber eine Glorifizierung des Militärischen, Vorbehalte gegen bestimmte Gruppen … das war ein Standard bei ihnen. Es ist schwer, das als Kind auseinanderzuhalten.

    Die mütterliche Seite hatte den Krieg und die Nazizeit als furchtbar erlebt. Cousins oder Brüder meines Großvaters, so genau weiß ich das nicht, sind in Bergen-Belsen umgekommen. Im Gegensatz zu den Großeltern väterlicherseits fanden sich meine Großeltern mütterlicherseits nach dem Krieg in der sowjetischen Besatzungszone – und wo er noch zu jung war, um gegen die Verpflichtung als Flakhelfer in den letzten Kriegsjahren zu rebellieren, legte sich mein Großvater mit der nächsten Diktatur auf deutschem Boden an und musste fliehen, mit seiner Familie.

    Völlig unterschiedliche Geschichten. Die Erzählung meiner mütterlichen Seite zeugte von mehr Lernen aus der Geschichte. In Kriegsgefangenschaft war keiner davon, das waren dann eher die Eltern meiner Großeltern – somit bin ich vielleicht auch mehr oder minder Urenkel der Kriegsgeneration. Es ist schwer, die unterschiedlichen Perspektiven auf diese Zeit, die meine Großeltern der beiden Seiten einnahmen, in Einklang zu bringen.

    Vor einiger Zeit saß ich mit einer Person aus dem Berufsumfeld im Auto, wir fuhren gemeinsam eine Strecke – ich brachte sie auf dem Rückweg von einer Besprechung an ihrem Arbeitsort in ihren Heimatort, da das auf meinem Weg nach Hause lag. Ich meinte zu ihr, auch im Wissen, was meine Großeltern mütterlicherseits erzählt hatten und welche Vorbehalte ich bei der anderen Seite sah: „Ich habe Angst vor der Verharmlosung dieser Zeit. Dann kommt sie wieder. Ich hätte damals den rosa Winkel gehabt.“ Sie antwortete: „Und ich den gelben Stern.“ Dann brüteten wir über den Gedanken, dass „man Dinge noch sagen dürfe“, wie so mancher fordert, und darüber, dass das Gewürm der Vergangenheit seine häßlichen Köpfe aus dem Boden streckt.

    Mittlerweile ist dieses Gewürm an der Oberfläche. Es macht Angst, zu wissen, dass das genau da hin führen kann: Die Welt mit Schrecken überziehen, für die, deren Religion, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, politische Gesinnung einem nicht gefällt. Im nächsten Schritt die Welt mit Feuer und Schwert mit seinen Vormachtsphantasien überziehen. Am Ende haben’s wieder viele nicht gewusst. Viele nicht vorhergesehen. Und viele Stimmen, die es gesehen haben, schweigen. Weil sie nicht mehr da sind.

    Puh. So düster und mahnend sollte das gar nicht werden.

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    • danke, liebe Talianna, für deine offenen Worte. So gegensätzliche Werte innerhalb einer Familie, das war sicher auch für deine Eltern nicht immer leicht, oder?
      Ja, ich bin gespannt, wie sich die Zukunft entwickelt, sehe jedoch auch, wie sich immer mehr Menschen dieser verschiedenen Generationen mit ihrer Familiengeschichte auseinander setzen, um die alten Schatten endlich loszuwerden und neue Perspektiven zu entwickeln. Dafür ist es gut, dass die düsteren Kapitel ins Licht kommen :-)

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  6. Meine Eltern wurden 1931 und 1936 geboren, der Papa in Schlesien, meine Mutter in der heutigen Tschechei. Ich bin somit ein Flüchtlingskind, und mit ungezählten Geschichten aus der Kriegs- und Nachkriegszeit aufgewachsen. Das hat meine Einstellung gegenüber Flüchtlingen sowie meine ausgesprochen pazifistische Haltung entscheidend mitgeprägt. Und ich empfinde eine mit Worten kaum auszudrückende, unendlich große Dankbarkeit dafür, einer Generation anzugehören, die vom ersten Atemzug an in einem friedlichen Land leben darf. So etwas ist ein schier unfassbares Glück. Dies sollten wir als Nachkömmlinge von Menschen, die ein gerüttelt Maß an Tod, Zerstörung, Bomben, Vertreibung, Flucht, Hunger, Furcht und Verzweiflung miterleben mussten, nie vergessen, nie gering schätzen…

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  7. Bei mir kam dieses Thema vor kurzem wie ein riesiger emotionaler Schub von ganz tief hoch und ich erfuhr erst jetzt ueber das Thema Kriegsenkel. Habe mich nie als solches gefuehlt (Jg 1969) aber immer mit dem grossen Schuldgefuehl abgeschleppt. Dies zu verarbeiten ist wahrhaftig schwer, und ich merke, dass dies innerhalb Deutschlands garnicht gross behandelt wird. Dagegen, wenn man im Ausland lebt, bleibt es immer praesent (Ich wohne jetzt 29 Jahren in GB): das Gefuehl nie davon frei zu kommen, immer ‚on duty‘ sein zu muessen, immer Deutschland gut zu vertreten, immer entschuldigen… Ich habe auch viel Trost bekommen und die Versicherung, dass ja nur meine persoenlichen Taten fuer mich zu verantworten sind. Aber dennoch, liegt es wie ein dunkler, schwerer Schatten ueber uns. Ich empfinde, wenn ich in Deutschland zu Besuch bin, eine enge persoenliche Verbundenheit mit der Scholle Erde dort, aber obwohl es viele wunderbare, offene Menschen gibt, so empfinde ich doch, dass die Vergangenheit weiterhin vergraben ist, was zu Starre fuehrt. Vielleicht ist erst diese Enkelgeneration (und weitere) in der Lage, den Gefuehlen Ausdruck zu verleihen, denn das Volkstrauma ist so tief, dass die Seele wie auf Eis gelegt wurde. Gedanklich, logisch kann ich akzeptieren, dass ich nicht persoenlich verantwortlich bin, aber emotionell nicht.
    Psychologisch brauchen wir alle den Sinn ‚gut sein zu duerfen‘, ‚ein Recht auf Leben‘ und ‚ein Recht auf Bestehenduerfen‘ zu haben. Kein Mensch kann gut und normal leben wenn er meint er stamme aus einer Moerdergrube. Ein traumatiserter Mensch kann nur wieder Trauma vermitteln und weiterpflanzen. Ich meine es waere fuer ganz Europa wichtig, dass Deutschland’s Seele eine Heilung erfahren darf, da es ja weiterhin im Mittelpunkt der Ost-Westkraefte steht und momentan sich scheinbar dahintreiben/ziehen laesst, weil es ohne gesunde Identitaet mundtot und entscheidungsunfaehig bleibt.
    Ich danke fuer diese Anregung zum Gespraech – die zeitlich sehr eng mit meinen eigenen inneren Erlebnissen uebereinstimmt.

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  8. Dann will ich mal so ganz von der pragmatischen Seite auch etwas dazu beisteuern :-) Meine Eltern haben als Jugendliche den Krieg erlebt, mit all dem, was leider dazu gehörte. Will heißen, der Verlust des ursprünglichen Zuhauses (bei meinem Vater, der als Fünfjähriger mit einem Adressschild um den Hals in den Zug gesetzt wurde in Richtung Rest der Familie) und mit Erlebnissen direkt nach Kriegsende, die ich hier nicht schreiben werde, was meine alte Dame betrifft.
    Ich sehe mich überhaupt nicht als „Kriegsenkel“, habe mich aber in den letzten Jahren immer wieder gewundert, wie wenig sich ganz offenbar lange Zeit mit den Erfahrungen der Generation, die den Krieg erlebt hat, auseinander gesetzt wurde. Gerade mögliche Traumata betreffend. Bei meiner alten Dame war es so, daß sie wohl Silvester das Feuerwerk mit uns gemeinsam schaute, aber bei geschlossenem Fenster, damit sie das Knallen nur wenig mitbekommt. Das – sie sprach darüber ganz offen – sie immer wieder an Nächte im Krieg erinnerte.
    Aber konfrontiere damit mal „Leute von heute“, die sich gern ihrer Biographiearbeit rühmen – da kommt nur dämliches Grinsen, sonst nichts.

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      • Gute Frage, aber das war seinerzeit wohl üblich. Von Beuthen nach Potsdam und da hat ihn dann Verwandtschaft abgeholt. Seine Eltern? Habe ich nicht mehr kennengelernt, aber der Überlieferung zufolge haben die das wohl irgendwie pragmatisch gesehen/sehen müssen. Lag vielleicht auch daran, daß sie Kinder im halben Dutzend und ein wenig mehr hatten….? Kennt man ja so auch nicht mehr.

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  9. Ein interessantes Thema. Ich gehöre zur Generation der Kriegsenkel, obwohl ich erst 1981 geboren wurde. Mein Vater, Jahrgang 1941, floh mit seiner Mutter und den beiden älteren Schwestern aus Westpreußen nach Niedersachsen. Sein Vater war zu dem Zeitpunkt in Russland, und kam Jahre später aus der Gefangenschaft wieder nach Hause. Die Familie besaß in Westpreußen einen großen Bauernhof, und musste in Niedersachsen von ganz unten und ganz von vorne anfangen. Das hat mein Leben nur peripher tangiert, da sie sich zum Zeitpunkt meiner Kindheit gut etabliert hatten, und mein Vater schon lange anderweitig beruflich erfolgreich war. Dennoch ist mir irgendwann bewusst geworden, dass meine unerklärliche Angst vor Verlust nicht aus mir selbst erwachsen sein muss, sondern auch als „ererbte“ Last dieses großen Verlustes resultiert sein kann. Entsprechende Verluste in der Familie meiner Mutter wirken in dem Zusammenhang möglicherweise verstärkend. Insofern würde ich schon sagen, dass diese Nachwirkungen möglich sind, so unglaubwürdig das, angesichts der zeitlichen Distanz, im ersten Moment auch erscheint. Inzwischen sind ja epigenetische Veränderungen durch große Ereignisse in den Vorgenerationen in der Diskussion. Die Bücher zum Thema Kriegsenkel sind schon lange auf meiner Leseliste – bin allerdings noch nicht dort angekommen ;-)

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    • danke für deine offenen Worte. Nachdem ich mich so intensiv mit diesem Thema befasse, bin ich fest davon überzeugt, dass viele unserer heutigen Probleme, persönlich wie gesellschaftlich, aus dieser Zeit resultieren und wir jetzt die Möglichkeit, die Gelegenheit und auch das große Bedürfnis haben, diese Schatten aufzulösen, um uns persönlich zu entwickeln/zu entlasten und auch als Gesellschaft unsere Zukunft mit all den anstehenden Problemen unserer Zeit in die Hand nehmen zu können.

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  10. ich bin als Halbwaise aufgewachsen, da mein Vater im Jahr meiner Geburt fiel. Unter der Vaterlosigkeit und unter dem Unglück meiner Mutter, die mit 27 Witwe mit drei Kleinkindern war, habe ich natürlich gelitten. Aber dies Leiden war nichts im Verhältnis zu dem Grauen, der Scham, dem Nichtverstehenkönnen dessen, was „wir als deutsches Volk“ an unausdenklichen Verbrechen zu verantworten hatten. Das war mein Thema, das mich verfolgte, das es mir sehr lange unmöglich machte, mit „dem deutschen Volk“ meinen Frieden zu machen.
    Kriegs-Traumata haben unendlich viele Menschen – deutsche und andere – durch den Krieg, den dies „deutsche Volk“ nach Innen und Außen führte, erlitten. Ich lebe in Griechenland, das, obgleich neutral, von deutschen Truppen überrollt wurde. Hunderttausende von Hunger-Toten in Athen (1941) durch die verheerende deutsche Besatzungspolitik, Erniedrigungen, Angst, Erschießungen, Gestapo-Kellerr, in deutsche KZs verfrachtete Arbeitssklaven, die Saloniker Juden, die vollkommen ausgerottet wurden – es gibt kaum eine Familie, die keine Kriegstraumata erlitt. Aber es ist hier kein Thema. Krieg ist ein Unglück, alle stimmen dem zu. Krieg bringt sehr viel Leid über die Menschen. Keiner bezweifelt das.

    Das deutsche Thema ist anders gelagert, denn das kollektive Verbrechen hat es dem einzelnen fast unmöglich gemacht, das eigene individuelle Unglück zu bearbeiten. „Recht ist dir geschehen“ – sagte man den Vertriebenen, der Verwitweten, den Kriegsverletzten, den Vergewaltigten, und deren Kindern sagte man, wenn sie im Ausland auftauchten: „du bist eine, einer dieses verruchten Volkes“. Nicht alle sagten das, aber viele. Und ich fand das vollkommen verständlich.
    Es gab auch Menschen – Betroffene im Kibbuz, auf Kreta -, die mich trösteten und sagten: „Aber du bist doch nicht schuldig“. Das stimmte, persönlich traf mich keine Schuld. Ich brauchte lange, bis ich mir sagen konnte: „sieh zu, wie deine Handlungen sind. Für deine eigenen Handlungen bist du voll verantwortlich, nicht aber für die Handlungen des Kollektivs, dem du entstammst und zu dem du gerechnet wirst.“

    Aber ich bleibe eine Deutsche. Und so macht es mir wahrhaftig Angst zu sehen, welcher kriegerische Geist neuerdings in Deutschland umgeht. Esbegann mit dem Jugoslawienkrieg („Endlich sind wir wieder ein normales Volk“, sagte der damalige Außenminister Fischer, als Deutschland zum dritten Mal in einem Jahrhundert half, Belgrad zu zerbomben). Die deutsche Rüstungsindustrie läuft auf Hochtouren, die Aktionäre von rheinmetalll reiben sich die Hände, deutsche Soldaten werden nach Asien und Afrika geschickt, und gegen Russland wird wieder gehetzt. Alles für den Frieden?

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    • danke für deine offenen und ausführlichen Worte. die mich, wie alle Kommentare hier, sehr berühren. Ich weiß nicht, wie es dir und allen anderen beim Lesen geht, bei mir entsteht der Eindruck, das muss alles erzählt und festgehalten werden, in Büchern, Filmen, Bildern u.ä., Diese Erlebnisse machen Mut, sich mit seiner eigenen Familiengeschichte zu befassen und die Schatten der Vergangenheit ins Licht zu holen und nicht mehr zu verdrängen, damit sie ihren Schrecken verlieren. Wie siehst du das, auch aus der Sicht als Künstlerin und Malerin?

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      • Ich weiß nicht, ehrlich, liebe Annette. Ich habe diese Themen oft in Aufstellungen bearbeitet, immer dann, wenn sie tatsächlich akut ins heutige hineinwirkten. Da konnte ich einiges an Beruhigung und Heilung bewirken, auch bei mir selbst. Für die Kunst ist mir das Thema zu alt, denn schon werden neue Kriege vorbereitet und die laufenden Kriege scheinen kein Ende zu finden. Dies ist etwas, was mich jetzt seelisch weit mehr beschäftigt. Ein deutsches Thema ist es nur insofern, als ich wünschen würde, dass wir uns schon wegen der enormen Kriegsschuld unsere Landes und der von unseren Eltern und Großeltern verursachten und ertragenen Kriegsleiden stärker in Friedensbewegungen engagieren würden. Leider sehe ich da überhaupt nichts, und das macht mir echt Kummer.
        Dir herzliche Grüße! Gerda

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        • Und was sagst du zu Greta und der Bewegung, die sich dazu entwickelt hat? Wenn wir uns nicht um das Klima kümmern, sind Kriege bald unser geringstes Problem. Bei den Kriegen geht es doch immer nur um Ressourcen, die letztlich dem Klima schaden.

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          • Ich halte die Klimadiskussion, wie sie läuft, für völlig verfehlt, liebe Annette. Deine Frage bestätigt mich in dem Verdacht, dass viele Menschen in Deutschland den Sturm, der ihnen ein paar Ziegeln vom Dach fegt, ernster nehmen als die in Deutschland hergestellten Waffen, die andere Länder verheeren. Schade um die Jugendliche Protestkraft.

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              • Es war mir nicht bekannt, liebe Annette. Ich hatte angenommen, der letzte Sturm über Deutschland hieße Greta, sah dann im internet nach und erfuhr erst dadurch, dass es sich um eine neue Jeanne d’Arc aus Schweden handelt. ich verstehe, dass Jugendliche, die täglich mit Drohszenarien über den Weltuntergang durch menschengemachten Klimawandel gefüttert werden, nun von ihren Regierenden Konsequenzen fordern.
                Für mich ist es eine typische Bewegung von jungen Menschen, die seit sehr langem im Frieden leben und denen es wirtschaftlich gut geht. Woanders hat man andere Sorgen.
                Liebe Grüße!

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                • Liebe Annette, ich habe ich jetzt ein wenig über die Bewegung und vor allem über das Mädchen Greta informiert. Ich sah mir ihre Rede in Brüssel an. Und ich muss sagen: die Kleine ist großartig. Sie hat mich tief beeindruckt. Und zwar, weil sie die Klima-Diskussion nicht auf einschränkende Maßnahmen beschränkt, ja eigentlich überhaupt nicht davon redet. Der Kern ihrer Argumentation ist, so verstehe ich nun, dass wir Menschen WELTWEIT die verbliebenen Ressourcen in solidarischem Sinne, in friedlicher Kooperation und gerechter Verteilung nutzen müssen, dass anstelle die Konkurrenz (und des Krieges) das Miteinander treten muss, da sonst unser Planet verloren ist. Das ist großartig, zukunftstüchtig und inspiriert mich sehr.
                  Liebe Grüße und Dank für den Hinweis, den ich zunächst ganz falsch verstanden hatte.

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  11. Meine Erfahrungen sind geprägt von den Nachkriegsjahren auf dem Dorf, einigen Erzählungen und eigenen Beobachtungen. Mein Großvater war als einfacher Soldat eingezogen worden, obwohl sein Sohn gerade gefallen war, war bei Kriegsende in Griechenland und kam anschließend zu Fuß und nach Aufenthalt in unterschiedlichen Kriegsgefangenenlagern mit meinem noch sehr jungen Vater, den er dort kennengelernt hatte, in sein Heimatdorf in Nordhessen zurück. Mein Vater stammte aus Halle und wollte nicht dorthin zurück. Später als Polizist konnte er es nicht mehr. Allgegenwärtig war während meiner Kindheit und Jugend die Russenangst, die mich allerdings nicht bestimmt hat. Verstanden habe ich es, weil auch ich sehr früh entsprechende Bücher las, aber für mich war sie nicht bestimmend.
    Weder mein Vater noch mein Opa sprachen viel vom Krieg an sich, hielten ihn für unnötig, schrecklich und unmenschlich, ohne jedoch in Details zu gehen. Worüber mein Vater aber sprach, war die Schönheit der Landschaft und die Lebensart der Menschen dort. Als ich erwachsen war, bekannte er mir, dass er freudig in den Krieg gezogen war und eine sehr romantisch verklärte Vorstellung gehabt habe, die ihm jedoch schnell vergangen war. Dass ihn trotz seiner positiven Einstellung sehr wohl Erlebtes belastete, zeigten bisweilen aus dem Nichts auftretende Jähzornsanfälle, für die er sich im Nachhinein immer schämte.
    Was man aus seinen Erfahrungen zieht, entscheidet immer der Einzelne selbst. Meine Großeltern haben aufgrund des Todes ihres Sohnes immer wieder Waisenkinder aus Berlin aufgenommen und bis zur Lehre großgezogen. Der letzte blieb für immer. Auf jedem zweiten Hof gab es Einquartierungen von Flüchtlingen. Es war ausreichend zu essen da und das wurde geteilt. Weder meine Großeltern noch meine Tante im Nachbardorf habe ich jemals darüber murren hören. Vielmehr gab es viel Mitgefühl. Daraus sind Freundschaften entstanden, die über Generationen bis heute Bestand haben. Ein paar Aussiedler blieben auch und bauten sich ein Häuschen im Dorf. Wir Kinder waren alle gleich und es gab keine Vorbehalte.
    Umso bestürtzter war ich, als ich mit 6 Jahren mit meinen Eltern in eine Kleinstadt weiter südlich zog, wo Ausgrenzung, Neid und Spott über Aussiedler alltäglich war. Sie wurden wie Dreck behandelt. Auch in der Schule wurden diese Kinder an den Rand gedrängt, mit blöden Namen betitelt und über ihre Aussprache gelacht.
    Die Häuser, die sie in Nachbarschaftshilfe und den eigenen Händen bauten, wurden ihnen missgönnt und es hieß, sie bekämen das Geld nachgeschmissen. Das wiederholte sich 30 Jahre später bei Russland- und Polendeutschen. Lange noch wohnten auch einige Familien in Baracken. Ich besuchte sie gerne, weil sie so herzlich waren. Für mich tun sich da Parallelen auf.
    Was mich als Kind auch sehr schockiert hat, war der Mauerbau. Wir hatten schon unseren ersten Fernseher und ich hab schrecklich geweint. Lange habe ich über diese Schicksale nachgedacht. Dann hörte ich, es wurden Menschen an der Grenze erschossen, weil sie woanders leben wollten. Ich konnte nie verstehen, wie man das tun kann und weigere mich,bis heute, so etwas zu verstehen.
    Ich empfinde kein persönliches Schuldgefühl, aber den Drang, durch Anstand und Hilfe das Ungleichgewicht entstanden (an dem sicher auch einige Vorfahren beteiligt waren), aus begangenem Unrecht zu mindern. Gleichzeitig möchte ich dazu beitragen, dass nie wieder so etwas geschehen kann.
    Auch meine Kinder habe ich in diesem Geist erzogen.
    Und was jetzt gar nichts mehr mit dem Krieg zu tun hat, jedoch mit dem Hass auf alles Fremde, möchte ich dazu beitragen, dass Menschen sehen, dass auch die heutigen Geflüchteten – gerade die Kinder – zuhöchst traumatisiert sind und viel Elend erlebt haben.

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    • danke für deine offenen Worte. Deine bzw. eure Schilderungen hier in den Kommentaren berühren mich sehr und ich bin perplex über eure Resonanz. Es gibt nach so vielen Jahren immer noch so viel darüber zu berichten und ich freue mich, dass du bzw. ihr euch die Zeit nehmt, mich und alle, die mitlesen, daran teilhaben zu lassen. DANKE dafür!

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  12. Ich bin 1955 geboren, aber gehöre zu den Enkeln. Meine Eltern waren Teenager gegen Ende des Krieges. Vom Krieg erzählten meine Eltern mehr als meine Grosseltern, die schwiegen sich zum grössten Teil aus darüber.

    Mein einer Grossvater war in russischer Gefangenschaft, das war wohl nicht besonders erhebend, aber wie gesagt, er hat nicht ein einziges mal darüber gesprochen. Ich glaube nicht, dass zwischen meinen Grosseltern Schriftverkehr bestanden hat während der Zeit. Er kam auch nicht gleich nach Kriegsende nach Hause. Ich glaube, dass ihn die Erfahrung gebrochen hat. Er war Sanitäter, und weil die deutsche Armee Waffen- und Truppentransporte mit der Roten Kreuz Fahne tarnten, wurden letztendlich auch alle richtigen Rote-Kreuz-Züge beschossen und bebombt.

    Mein Vater hat Glück gehabt, er fuhr als Moses auf italienischen Handelsschiffen und als die Italiener dann die Seite wechselten, wurde er in Norwegen stationiert, in Kirkenes. Davon hat er mit Begeisterung berichtet. Er war nie in richtiger Aktion. Von der russischen Seite des Fjords aus wurde manchmal auf die deutschen Schiffe geschossen, wenn sie vorbeifuhren, aber viel passiert ist anscheinend nicht.
    Meine Mutter war in der Kinderlandverschickung und lief von dort weg als sie hörte, dass die Engländer auf Hamburg marschierten. Zu dritt begaben sie sich auf eine Odyssee von Bayern nach Hamburg, was wohl nicht so ganz einfach war. Sie kam mit dem letzten Zug vor dem Einmarsch der Engländer nach Hamburg und fand ihr Elternhaus zerbombt vor. Sie war damals 15 Jahre alt. Sie fand ihre Mutter und ihren Bruder dann in Bergedorf bei ihren Tanten.

    Wie es den Eltern meines Vaters während des Krieges ergangen ist, weiss ich gar nicht. Wir haben sie selten gesehen, weil sie in Rostock wohnten nach dem Krieg und wir nach der Schliessung der Grenzen nicht so oft hinfahren konnten.

    Ein paar von den Schwestern meiner Grossmutter lebten noch in Mecklenburg, von wo sie alle stammten (12 Geschwister). Eine von ihnen zog nach Hamburg, als sie 65 Jahre alt wurde. Wenn man Rentner wurde, durfte man die DDR verlassen.

    Die Berichte vom Krieg haben mir nur gezeigt wie sinnlos das alles ist. Bereits im ersten Weltkrieg wurde eine ganze Generation junger Männer in Europa einfach ausgelöscht und nicht lange danach ging das Theater von vorne los. Und auch jetzt wieder ist die Stimmung negativ und gegen bestimmte Menschengruppen gerichtet. Ist die Menschheit wirklich nicht imstande zu lernen?

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  13. Ja, das Thema war für mich lange relevant, mittlerweile allerdings nicht mehr so stark, weil meine Eltern nicht mehr leben.

    Mein Vater, Jahrgang 1924, wurde von der Schulbank weg eingezogen und war in Frankreich, anschließend in französischer Kriegsgefangenschaft, kam zurück, als es keine Heimat mehr gab (die Familie stammte aus Schlesien). Über das Rote Kreuz fand er seine Familie im Siegerland wieder, zwangseinquartiert bei einem Bauen, gehasst im Dorf als Fremde.
    Sein Vater (mein Großvater) war ein gut situierter Bauunernehmer, der alles verloren hatte, nicht wirklich Fuß fassen konnte und 1954 starb. Da stand dann mein Vater mit seiner Mutter alleine da, musste sich um alles kümmern, konnte nicht studieren und den Beruf ausüben, den er wollte.
    Das alles hat ihn enorm geprägt und damit erheblichen Einfluss im Familienalltag gehabt. Sein Rollenverständnis, seine Erziehung, seine Werte, die Bitterkeit über alles,wo er meinte, zu kurz gekommen zu sein.
    Er war kriegsversehrt, wenn man ihm das Rückenleiden auch nicht ansah, nahm uns, als wir Kindergartenkinder waren, mit zum Versehrtenschwimmen am Harkortsee, traumatisch für uns Jungen, als plötzlich alle alten Männer Bein- und Armprothesen abschnallten.

    Oder ein anderes Beispiel: Er bat uns in den späten 80ern, als wir ausgezogen waren, uns nicht umzumelden, damit nicht im Falle eines Falles (Flüchtlinge aus der damaligen DDR), fremde Menschen bei ihm zwangseinquartiert würden.

    Letztlich: Er kam nicht aus seiner Haut, nie über den Krieg hinweg, das hat das schwierige Verhältnis zu ihm, als ich älter wurde, sehr beeinflusst.Und das nicht zum Guten.

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    • danke für deine offenen Worte. Wenn ich euch alle hier lese, denke ich, daraus könnte vermutlich jede(r) von euch ein Buch darüber verfassen. Hast du schon mal daran gedacht, all diese Erinnerungen aufzuschreiben?

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      • Nein, ich habe nie daran gedacht, all diese Erinnerungen aufzuschreiben. Denn ich werde einen Großteil der Erinnerungen da lassen, wo sie sind. Unter einer dicken Schicht aus Erde und Gras.

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  14. Ich habe in New York zwischen Juden gelebt.
    Eine Nachbarin war als einzige Überlebende ihrer ganzen Familie als Kind zu amerikanischen Verwandten geschickt worden. Alle anderen starben in KZ’s.
    Ich habe mich mit dem Thema direkt auseinandersetzen müssen.

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    • Eine Frage, die du natürlich in diesem öffentlichen Rahmen nicht beantworten brauchst, mir jedoch durch den Kopf geht: Gab es neben diesem Leid überhaupt die Chance, das Leid aller Geflüchteten, Verfolgten, Ausgebombten und Kriegsgeschädigten zu sehen?

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      • Sagen wir mal so, es gab Menschen, die nicht mit mir sprachen, nachdem sie erfuhren, dass ich Deutsche bin. Andererseits hat meine damals beste Freundin mich mit in ihre Synagoge genommen. Sogar meine Kinder sprachen in der Schule über das Thema, nachdem Schindlers Liste im Fernsehen lief

        Das Thema ist in New York noch sehr aktuell, weil viele Familien Opfer beklagen mussten.
        Die Kriegsschauplätze waren nie ein Thema. Menschen, die sich ihrer Familien beraubt sahen, schon.

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          • Und als Kriegsenkel habe ich meinen Opa ausgefragt. Er war aber genauso schweigsam wie all die anderen hier beschreiben. Nach einem Besuch in Dachau habe ich aus Solidarität einen Judenstern getragen, was meinen Opa noch mehr verstummen liess. Er erzählte aber von all den Orten, in denen er war.
            Vor ein paar Jahren habe ich das auf englischen Websiten recherchiert (sie sind wesentlich umfangreicher). Inzwischen weiss ich wohl das meiste.
            In Deutschland selbst war es für mich immer eher unwichtig, war ich doch eine unter vielen. Aber als Deutsche im Ausland ist es etwas ganz anderes.

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  15. … habe zwar die „Gnade der späten/späteren Geburt“ … aber dadurch … dass mein Vater als 1921 geborener diesen ganzen MIST voll miterlebt hat … hat sich das natürlich auch auf mein Leben ausgewirkt …

    Bin dadurch sowohl KRIEGSENKEL als auch KRIEGSKIND … und hoffe inständig … dass meine Kinder … niemals das eine … noch das andere sein werden …

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  16. Mein Vater hat über die Vertreibung seiner Familie in den letzten Kriegsmonaten aus Schlesien immer geschwiegen, bis auf die Geschichte von seinem Hund, den er auf dem Flüchtlingstreck verloren hatte und der später wieder nach Hause kam. Als Kind wollte ich immer wissen was da noch passiert war. Und da mein Vater nichts erzählte, habe ich mich über diese Zeit belesen und mich wie besessen damit beschäftigt. Nach dem Tod meines Vaters lasse ich das Thema ruhen. Endlich. Aber jetzt kommen wieder Menschen mit Kriegs- und Fluchterfahrung, diesmal aus Syrien und Afrika zu uns, die sie auch über Generationen beschäftigen wird. Gut dass unser Bewusstsein über die Langzeitfolgen jetzt geschärft ist.

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    • danke für deine persönlichen Worte dazu und beruhigend zu sehen, wie viele Menschen sich mit diesem Thema so intensiv befassen oder schon befasst haben. Es betrifft Millionen und je mehr sich mit diesem Erbe auseinandersetzen, desto besser können wir unsere Zukunft gestalten

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  17. Komplexes und wichtiges Thema, mit dem sich unsere Kriegsenkel-Generation wohl oder übel auseinandersetzen muss. „Die vergessene Generation“ ist demnächst als Lektüre dran, soll wohl einiges erklären, was die Altvorderen so an Defiziten mit sich rumschleppen mussten. Bin gespannt. – Liebe Grüße, Gerhard

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  18. In meiner Traumaausbildung haben wir uns mit dem Thema beschäftigt. Transgenerationales Trauma… In einer Gesprächsrunde haben wir uns über das ausgetauscht, was wir aus der Geschichte der Großeltern/Eltern und dem eigenen Erleben da zusammendenken. Dabei ist mir bewusst geworden, dass ich sehr dankbar sein darf, dass beide Großväter nicht im Krieg waren. Das hat die Erzählungen der anderen Teilnehmer sehr bestimmt. Da war ich eine ziemliche Ausnahme. Trotzdem denke ich manchmal, dass es auch so eine Katastrophenangst gibt, die ich kenne. Die Zeiten in den Bunkern und die große Armut gegen Ende des Kriegs und in der Nachkriegszeit haben ja auch die daheim gebliebenen erlebt. Ich habe als Kind schon alles mögliche über den Krieg gelesen, auch über den Holocaust. Es ist da ein bisschen schwer, das auseinanderzuhalten, was durch familiäre Weitergabe kommt, und was mich als Kind zu früh durch das Lesen stark beeindruckt hat. In der Seelsorge merke ich, dass es ein sehr wichtiges Thema ist, und auch weiterbringen kann, wenn ansonsten Erklärungsmuster ausbleiben. Dass es aber trotzdem so schwer zu packen ist, macht den Suchenden schon etwas aus.

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    • danke für deine ausführliche Rückmeldung und auch dafür, dass du dich in der Seelsorge dafür engagierst :-) Ich vermute, fast alle, deren Vorfahren den ersten und/oder zweiten Weltkrieg bzw. die Folgen davon erlebten, finden einen Bezug zu diesem Thema. Es betrifft Millionen und prägt uns nicht nur als Nachfahren, sondern auch ganz besonders unsere heutige politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation: Die Kinder der Kriegskinder und inzwischen auch die Kriegsenkel sind in dem Alter, in dem sie in vielen Vorständen der großen Unternehmen sitzen und Politiker, die uns vertreten und präsentieren. Wer von denen mag seine familiäre Geschichte und deren transgenerationalen Trauma aufgearbeitet und daraus gelernt haben?

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      • Was meinst du, was die häufigsten Problematiken sind, die unsere Generation da prägen? Angst? Schuldgefühle? Ohnmacht? Wenig Zugang zu den eigenen Gefühlen und weniger Empathie? Wirst du dazu selber noch was schreiben, aus Coaching-Sicht? Das würde mich sehr freuen! LG

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        • eine Mixtur aus all den genannten Gründen. Es gibt Parallelen und doch auch wieder große Unterschiede, weil jede Familiengeschichte ein bisschen anders ist und der Umgang damit ebenfalls. Als Coach schaue ich verstärkt auf die Ressourcen, die daraus resultieren. Die Kriegsenkel und -urkenkel haben heute sowohl die Chance, als auch die Möglichkeiten, dieses transgenerationale Trauma endlich aufzulösen. Sie können sich dabei so gut vernetzen und austauschen wie nie zuvor. Neben all den Schattenseiten, die wir alle als Nachfahren dadurch mit uns herum geschleppt haben, resultiert daraus viel Resilienz, und die Offenheit und der Mut für neue, andere Wege in eine neue Zeit mit mehr Frieden, mehr Zusammenhalt und weniger Vorurteilen. Ich bin zuversichtlich, dass wir das packen, wenn ich die vielen Reaktionen hier lese. Das macht auch mir immer wieder Mut, dran zu bleiben und den Gedanken weiter zu tragen. Beantwortet das so in etwa deine Fragen? :-)

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            • danke dir. Negative Meldungen bekommen wir an anderen Stellen oft genug und alles hat gute und schlechte Seiten. Für meine Arbeit als Systemischer Coach und für mich persönlich ist es eine Frage des Blickwinkels, eine persönliche Entscheidung für das, was geht, für das Potential und für die Ressourcen, weil das die Menschen motiviert, etwas vom Schlechteren zum Besseren für sich und damit auch für andere zu verändern

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  19. Ja, ist relevant. Meine Eltern haben den Krieg als Kinder/Jugendliche miterlebt, ein Opa und ein Onkel sind als Soldaten gefallen, der andere Großvater war ebenfalls Soldat. Die Erlebnisse und Geschichten aus der Zeit bekomme ich von meinen Eltern bis heute erzählt. Ich denke, das einige davon traumatisch waren. Meinen Blick, meine Einstellung, was diese Zeit, aber auch die Gegenwart und unsere Gesellschaft angeht, hat das natürlich geprägt. Ebenso den Blick auf die eigene Familie. Einige Gegenstände und Fotos aus der Zeit haben es als Zeitzeugen in die Gegenwart geschafft. Die hütet meine Mutter allerdings irgendwo.
    Sehr viel bedeutet hat es ihr, als ich vor einigen Jahren mit ihr nach Holland zum Soldatenfriefhof gefahren bin, um das Grab ihres Vaters zu besuchen. Für ihren großen Bruder gibt es nur ein Kreuz mit der Aufschrift „Ein deutscher Soldat“ auf einem Soldatenfriedhof in Ungarn. Ich habe einige Zeit versucht, mehr über seinen Verbleib herauszufinden, was leider nicht erfolgreich war.
    Liebe Grüße, Jo

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  20. Für dieses Thema empfehle ich die Bücher von Sabine Bode, die sich sehr ausführlich in drei Büchern mit den Schicksalen und Auswirkungen der drei Generationen auseinander gesetzt hat: 1. Die vergessene Genartion, 2. Nachkriegskinder, 3. Kriegsenkel –
    liebe Grüße
    Ulli

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  21. Ich habe nach dem Tod meiner Oma 2008 die Briefe bekommen, die sie und Opa sich geschrieben haben, als er in Kriegsgefangenschaft war. Ich habe eine ganz andere Person durch diese Briefe kennengelernt. Ich überlege noch, was ich damit machen kann. Die Briefe dokumentieren das Leben in England und in Bochum!

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  22. durchaus relevant, meine eltern waren kinder im krieg und besonders meine mutter trägt ein großes trauma mit sich. ja, auch für mich erklärt sich nach und nach vieles. ich finde dieses thema ziemlich schmerzhaft…aber auch hochinteressant. und erstaunlich, wie es sich weiter durch die generationen danach zieht! ich wollte immer mal das buch „kriegsenkel“ lesen, das scheint sehr lohnenswert zu sein!

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  23. Das Thema ist seit meiner Kindheit präsent. Mein Vater war Wehrmachtssoldat und ich habe als Kind die Folgen des Grauens an meinem Vater erlebt, ohne zu wissen, dass es Kriegsfolgen sind (Schlafstörungen, Alkoholprobleme etc). Wir haben uns später -als ich zwischen 14 – 18 war, oft über das Dritte Reich, die Nationalsozialisten, den Holocaust und den Krieg ausgetauscht…. aber wohl nie einen gemeinsamen Nenner gefunden. Diese Zeit aber hat mich geprägt und das trägt bis heute. Hieraus ist u.a. meine Haltung zu Respekt vor Menschen, Nationalismus, Krieg und und und entstanden.
    Lg,
    Werner

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