„Alles ist für etwas gut“

Weil sie Sprachen liebt, denkt die Dortmunderin Carmen Schafranske zum Ende ihrer Schulzeit über die Ausbildung zur Stewardess nach, entscheidet sich schließlich doch ganz anders: Sie beginnt ein Praktikum im öffentlichen Dienst und absolviert anschließend bei der Stadt Dortmund die Ausbildung zur Vermessungstechnikerin.

Die schöne Handschrift

führt sie nach der Ausbildung ins Hauptamt. Carmen verfasst dort die damals noch mit der Feder geschriebenen Urkunden. Ein halbes Jahr tobt sich die junge Frau kreativ mit Tinte und Feder aus und beschreibt – ganz im Sinne des heutigen Handletterings –  Türschilder, Urkunden und alles was bei einer großen Stadt beschriftet werden muss.

Carmens erste Arbeitsjahre, Foto: privat

Für etwa weitere sechs Monate arbeitet sie im Wahlamt und lernt dort ihren ersten Ehemann kennen. Die Dortmunderin wohnt zu dieser Zeit in der Schützenstraße nördlich der Innenstadt und erreicht fußläufig ihren darauf folgenden Arbeitsplatz beim Katasteramt, bis sie als Vermessungstechnikerin im Umweltamt bei der Altlasten-Truppe einsteigt: Carmen trägt die zahlreichen von der Schwer-Industrie belasteten Böden handschriftlich in Karten ein, nimmt Bodenproben und wertet Luftbilder aus.

Carmen, Foto: privat

 

Als ihr diese Aufgabe zu langweilig wird, bewirbt sie sich beim Planungsamt für die  Verkehrsüberwachung, landet statt dessen jedoch bei der damals ganz neu eingerichteten automatisierten, grafischen Datenverarbeitung – einer Stelle genau nach ihrem Geschmack: Endlich kann sie (mit den damals noch) neuen Medien arbeiten.

Die Vielfalt entspricht ihrer Persönlichkeit

Einige Jahre später verändert Carmen erneut ihre berufliche Tätigkeit und wechselt zur Jagd- und Fischereibehörde, bei der sie bis heute tätig ist.

Als Mitglied der Prüfungsjury bei der Jagd- und Fischereibeihörde hat Carmen selbst die Jägerprüfung absolviert, Foto: privat

Seit Anfang 2015 bis kürzlich nimmt sie zusätzlich freitags und samstags als Standesbeamtin Trauungen vor und lernt alle Dortmunder Ambiente-Orte kennen.

Eine Kollegin bittet Carmen darum, als Standesbeamtin deren Trauung durchzuführen und eine individuelle Traurede zu halten.

Gesagt, getan

„Ich schlidder immer überall so rein“, erzählt Carmen.

Das Brautpaar ist begeistert, wie liebe- und humorvoll Carmen als Traurednerin deren individuelle Liebesgeschichte in die Rede einbindet.

Das vorherige Interview und das Schreiben machen Carmen so viel Spaß, dass sie sich nebenbei als freiberufliche Trau-Rednerin unter dem Titel …wenn zwei Herzen sich trauen selbstständig macht.

Foto: Rockstein Fotografie

Die Ereignisse überschlagen sich

Carmen während einer Traurede, Foto: Melanie Hinz Fotografin



Carmen kreiert eine Website, lässt Visitenkarten drucken und nimmt an ihrer ersten Hochzeitsmesse im Münsterland teil. Noch während der Messe bucht das nächste Brautpaar die Dortmunderin direkt für ihre Traurede.

So kommt seit 2017 ein Paar zum anderen

Ihre Internetpräsenz steigert die Buchungen an den Wochenenden zusätzlich. Seit drei Jahren bleibt neben ihrem Beruf bei der Stadt Dortmund, ihrer Arbeit als Standesbeamtin und Traurednerin nur wenig Zeit für Familie und Freizeit. Corona kommt ihr als kleine Pause und Findungsphase da gerade sehr gelegen, denn sie weiß:  

„Alles ist für etwas gut“

Foto: Carmen privat

Die Trauungen finden überwiegend im Sommer statt. Die Winter-Wochenenden nutzt die sehr „geerdet“ wirkende Angestellte mit viel Herz für Liebespaare für eine ganz andere Leidenschaft:

Während einer schweren Krankheit vor einigen Jahren kann ihr niemand so richtig helfen. Als ihr behandelnder Arzt keine Idee mehr hat, bietet sich Carmen unerwartet die Möglichkeit einer Reiki-Behandlung, die sie in dieser für sie schmerzhaften Phase ihres Lebens gerne ausprobiert. Von Woche zu Woche, von Behandlung zu Behandlung gesundet sie und beschließt, sich selbst zur Reiki-Meditationslehrerin ausbilden zu lassen.

Thülsfelder Talsperre, Foto: Carmen

Seit Abschluss ihrer Ausbildung bietet sie überwiegend im Herbst/Winter seit 2015 als Reiki-Meditationslehrerin Wochenendseminare an, am liebsten an ihrem Lieblingsort an der Thülsfelder Talsperre im Kreis Cloppenburg.

Damit ich weiß, worum es geht, erhalte ich von Carmen einige Tage nach unserem Interview eine Reiki-Behandlung. Mein Fazit: Ich fühle mich sehr erfrischt, leicht, belebt und Gedanken angeregt. Besonders in Corona-Zeiten erlebe ich es als Stärkung meines Immunsystems mit Sofortwirkung. Ich verstehe jetzt die heilsame Wirkung und plane schon eine Fortsetzung.

„Die Liebe hat so viel Kraft“

Nachdem Carmen Pfingsten 2019  einer schwer kranken Frau den Herzenswunsch erfüllte, sie im Krankenhaus auf dem Sterbebett zu trauen, denkt sie über eine ehrenamtliche Tätigkeit im Hospiz nach.

Womit niemand rechnete: Die mit dem Tod vor Augen frisch Vermählte lebt inzwischen längst wieder daheim bei ihrem Mann.

Carmens Lebensträume

„Einmal die Polarlichter sehen und ein fester Wohnsitz auf ihrer Lieblingsinsel Föhr. Außerdem möchte ich – gemeinsam mit anderen – Menschen, die Hilfe brauchen, unterstützen“, fügt Carmen noch hinzu.

Ihr Lebensmotto:

„Gucken und gespannt sein, was da noch kommt. Das ist meine Hymne. Offen für Neues sein, das Leben laufen lassen, dann öffnen sich Türen, mit denen wir nicht gerechnet haben, denn immer wenn es egal ist, wird es am besten“.

Carmen am Dortmunder Phoenixsee, Foto: Christian Laske – Laskephotos

Weitere Infos über Carmen findet ihr unter www.wenn-zwei-herzen-sich-trauen.de

Text: Annette Mertens

Fotos: Carmen privat + Christian Laske, Laskephotos + Melanie Hinz, Fotografin + Rockstein-fotography

Mit der Kraft der Liebe

47 Gedanken zu “Mit der Kraft der Liebe

  1. Pingback: Man nennt ihn Manni | Ruhrköpfe

  2. Faszinierend, die Vielfalt. Hoffentlich gelingt die Jonglage zwischen den verschiedenen Ämtern und Tätigkeiten. Ich stelle mir natürlich vor, wie lustig es wäre, wenn sie, gerade von einer Jägerprüfung kommend ein Brautpaar vermählend tief empfunden und herzlich „Waidmannsheil“ wünscht!

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  3. Ein ganz tolles Portrait, Annette, und was fuer ein persoenlicher Werdegang! Danke fuer diesen Bericht.
    Apropos Trauung/Standesamt: ein Standesamt gibt es hier nicht, durchaus aber die sogenannte „civil ceremony“. Die hat bei Mary und mir Marys beste Freundin gemacht, die – als Richterin – von Berufs wegen Trauungen vornehmen darf. Was ich aber ganz ungewoehnlich finde: hierzulande – zumindest in Texas – kann auch eine Privatperson eine Lizenz zum Trauen erwerben! Kostet ganze 10 Dollar pro Trauung!
    Liebe Gruesse, und hab‘ ein feines Wochenende,
    Pit

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    • Danke, lieber Pit. Interessant, dass Trauungen bei euch so ganz anders gehandhabt werden. Sind es in den alten Western nicht auch immer die Friedensrichter, die die Eheschließung durchführen? Liebe Grüße aus dem hochsommerlichen Dortmund, Annette 🙂

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      • Stimmt, da sind es immer die Friedensrichter. Hierzulande geuegt auch eine kirchliche Trauung alleine. In Deutschland ist das meines Wissens anders. Da zaehlt nur die staatliche auf dem Standesamt, wenn ich ich recht erinnere.
        Liebe Gruesse aus einem ebenfalls hochsommerlichen Fredericksburg,
        Pit

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          • Zu trocken ist noch weit untertrieben, liebe Annette. :( Das Gras knirscht mal wieder unter den Fuessen, wenn ich ueber den „Rasen“ gehe, und an vielen Stellen ist der blanke Boden zu sehen – und das, obwohl wir (einmal woechentlich) waessern. Unsere grossen alten Bodark-Baeume im Vorgarten lassen ganz deutlich die Blaetter haengen, aber denen koennen wir nicht helfen. Das wuerde zu viel Wasser kosten und ist eh nicht erlaubt. Die mussen schon selber durchkommen. Wir waessern nur die Baeume, die noch nicht voll etabliert sind, sowie meine „Baumschule“. Ich hoffe, dass ich da die meisten durchkriege und im Herbst ein paar auspflanzen kann.
            Liebe Gruesse, und mach’s gut,
            Pit

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            • Ich befürchtete, dass du so etwas sagen würdest. Hier stehen seit dem Wochenende in einigen Stadtteilen dafür wieder Straßen und Keller unter Wasser. Immer diese Extreme – zu trocken oder zu nass. Liebe Grüße und ich drücke ganz fest die Daumen für eine gute Menge Regen bei euch, Annette

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              • Dass einige Ecken in NRW mal wieder zu viel des Guten abbekommen haben, das hatte ich schon gelesen. Hier koennten wir heute Glueck haben, wenn die angekuendigten „verstreuten Gewitterschauer“ sich bei uns manifestieren. Danke fuer’s Daumendruecken, und liebe Gruesse,
                Pit

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  4. Ihr Lebensmotto „Gucken und gespannt sein, was da noch kommt. Das ist meine Hymne. Offen für Neues sein, das Leben laufen lassen, dann öffnen sich Türen, mit denen wir nicht gerechnet haben, denn immer wenn es egal ist, wird es am besten“. scheint sich ja echt in ihrem Leben zu bewahrheiten! Ja, da hast du eine starke, sehr offene Frau spannend vorgestellt! Herzlich, Petra

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  5. Eine, die mit einem offenen Herzen durch die Welt zu gehen scheint und etwas dafür tut, sie heller zu machen. Bravo! ❤️🌞🌼👍
    Gutes Portrait, liebe Annette, es braucht mehr solche Menschen, und es ist toll, wenn du sie findest und darüber berichtest!
    Liebe Grüße
    Christiane 😁🌞🥛🌼👍

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  6. Es gibt Menschen die in der Lage sind einfach über sich selber hinaus zuwachsen und diese Carmen gehört eindeutig dazu. Unvorstellbar was die Frau in ihrem Leben schon alles geschafft hat. Vermutlich ist sie mit ihrem Schaffen noch lange nicht am Ende angelangt.
    Annette das ist eine Schilderung die tief ins Herz geht. Genau solche Menschen sollte man sich als Vorbild für das eigene Leben nehmen.
    Vielen Dank, dass du diese starke Frau vorgestellt hast.

    Nur mal so am Rande bemerkt – die Kraft der Liebe sollte man niemals unterschätzen.

    Mit lieben Grüßen,
    Lilo

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