‚Mit Speck fängt man Mäuse‘ oder weshalb es manchmal besser ist, verlockende Angebote auszuschlagen

„Atreus: Wer würde solche eine Flut von Geschenken des Schicksals zurückweisen? Thyestes: Jeder, der erlebt hat, wie schnell sie abebbt.“ – Seneca, Thyestes, 536

Dieses Zitat stammt aus aus einer sehr alten, römischen Tragödie, in der es in einer Szene darum geht, jemanden durch verführerische und großzügige Geschenke in eine Falle zu locken. Jedoch lehnt Thyestes sie, zur Verblüffung seines Feindes, zunächst ab.

Mäuse-Speck, Foto: Annette Mertens
Mäuse-Speck, Foto: Annette Mertens

Kennst du ähnliche Situationen aus deinem Leben?

Situationen, in denen dir jemand auf der Straße eine Rose ’schenkt‘ und einige Meter weiter hält dir eine andere Mitarbeiterin der selben Organisation die Spendendose vor die Nase? Vermeintlich gut gemeinte, kleine Gesten und schon stecken wir in der Dankbarkeits-Verpflichtungsfalle, die dir dein Gegenüber so großzügig dargeboten hat.

Der Fachbegriff für diese Gegebenheit heißt Reziprozität, kurz gesagt: Es handelt sich um das Prinzip der Gegenseitigkeit. Demnach halten es die meisten Menschen kaum aus, bei einem anderen in der Schuld zu stehen. Dieses Bedürfnis des gegenseitigen Austauschens hält die Menschheit zusammen. Ein Mensch gibt dem anderen etwas, der andere nimmt es an und gibt dafür etwas anderes – der klassische Tauschhandel. So weit, so gut. Er basiert im Alltag auf Transparenz und Vertrauen und funktioniert in der Regel bestens: Kaufst du z. B. beim Bäcker Brötchen, weißt du, dass du dafür unverzüglich Geld bezahlen musst. Alle Beteiligten bekommen, was sie erwarten.

Wo ist der Haken?

Mäuse, Foto:
Bianca Di Francesco

Sind die Absichten der gebenden Person hingegen intransparent, wenn sie dich also im Unklaren darüber lässt, ob und wie sie dich dazu verpflichten möchte, die Schuld irgendwann zu begleichen, führt es früher oder später zum Konflikt. Du kaufst ‚die Katze im Sack‘ oder verkaufst im schlimmsten Fall dem Teufel 😈 deine Seele.

Und nun? Was kannst du dagegen tun? Wie kannst du dich vor solch ungewollten Verpflichtungen schützen? Das Geschenk nicht annehmen? Die vermeintliche Schuld und die damit verbundenen Konsequenzen aushalten? Was meinst du?

Text: Annette Mertens

Fotos: Bianca Di Francesco und Annette Mertens

‚Mit Speck fängt man Mäuse‘ oder weshalb es manchmal besser ist, verlockende Angebote auszuschlagen

65 Gedanken zu “‚Mit Speck fängt man Mäuse‘ oder weshalb es manchmal besser ist, verlockende Angebote auszuschlagen

  1. Hallo Annette! Ich hoffe, dass es Dir gut geht! Das ist ein toller Artikel. Ich bin eigentlich noch nie in diese „Verlegenheit“ gekommen. Denn hier im sehr ländlichen Umfeld hatte man schon vor längerer Zeit gleich auf „Vorauszahlung“ umgestellt. Die Landbevölkerung ist so herrlich ;-) direkt, da bekommste die Spendendose einsparend ohne vorherigen Köder unter die Nase gehalten. Lol Ich werde aber mal darüber nachdenken, wie ich reagieren würde. Wünsche Dir ein schönes Wochenende! LG Michael

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  2. Das eigentlich verblüffende ist doch, wie wenig Speck es manchmal braucht. Entweder, weil die Maus ausgehungert ist – verständlich – oder weil sie dermaßen gierig ist.
    Dass die hungrige Maus in die Falle geht, bevor sie verhungert, das schnelle Ende unter dem herabschnellenden Metallbügel vorzieht: das können wir nachvollziehen, auch wenn wir sagen: dumme Maus. Aber was tun wir mit der Anderen, was sollen wir von ihr halten?

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    • Alle Menschen dürfen ihre eigenen Erfahrungen machen. Wir lernen alle durch unsere Erfahrungen, wachsen an unseren Schwierigkeiten, sie lassen uns kreativ werden, getreu der alten Fabel „Aus Schaden wird man klug“

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  3. Danke für das Erinnern an diesen Mechanismus „im Kopf“. Tatsächlich ist dies ja eine große Masche der Marketingindustrie, um uns Konsumenten bei Kauflaune zu halten. Und dort ist es wirklich ungesund.
    Abseits des Konsums, kann es so schön sein zu schenken. Ohne Erwartungen.

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  4. Meistens ist mir die Freude eines anderen über ein Geschenk, das ich ihm gemacht habe, mehr wert, als ein Gegengeschenk. So würde ich es auch im umgekehrten Fall sehen. Die wirklich guten Geschenke sind doch die, die man unverhofft im Alltag findet und bei denen einem der passende Empfänger sofort in den Sinn kommt. Wäre ich der Beschenkte eines solchen Fundes, würde mir eine Erwiderung eher nicht naheliegen.
    LG Bettina

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    • Danke, liebe Bettina, da bin ich ganz bei dir. Mir geht es besonders um diese subtilere Art von ‚Geschenken‘ bzw. Gefälligkeiten, aus denen Verpflichtungen und Konsequenzen erwachsen, die vorher nicht eindeutig erkennbar waren. Liebe Grüße, Annette

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  5. Liebe Annette, lieben Dank für Deinen Beitrag und vor allem für die Wortschöpfung des (mindestens) Jahres! Dankbarkeits-Verpflichtungsfalle ist einfach zu passend 👍
    Hm, Geschenke mache ich kaum noch und wenn ich selbst tatsächlich eins bekomme, dann von Familie und Freund*innen. Da gehe ich nicht von Hintergedanken aus. Aber wie ist das bei Gefälligkeiten z.B. unter Nachbarn? Wenn meine Katzen durch Nachbarn versorgt werden, kümmere ich mich selbstverständlich auch um die Katzen der Nachbarn, wenn erforderlich. Ist eine win-win Situation für alle und ja eigentlich auch transparent. Wenn aber plötzlich Nachbarn, mit denen ich sonst wenig bis gar nicht rede, total freundlich zu mir sind und mir etwas anbieten, werde ich auf jeden Fall wach.
    Gerade ging mir so durch den Kopf: wenn eine Katze dir eine tote Maus mitbringt, ist dies auch kein Geschenk sondern Kritik an Deinen „Kochkünsten“ bzw. am Dosenfutter

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  6. Bezüglich „Dankbarkeits-Verpflichtungsfalle“ habe ich keine Schuldgefühle, ärgere mich über sinnlose Präsente und entsorge sie. Was ich wirklich brauchen kann behalte ich ohne Skrupel. Die Spenden-Bettelszene ist heute sehr gross und z.T. anmassend geworden.
    Ich habe meine wohltätigen Organisationen, denen ich regelmässig etwas spende.

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  7. Hmm, ich werde gerne beschenkt und freu mich dann auch. O-Ton der Kinder dereinst: „Mama freut sich über jeden Scheiß.“ Eben drum war ich dann auch leicht zu beschenken.
    Ich finde auch gern Geld auf der Straße, egal ob „richtiges“ oder nur ’n Groschen bzw. ’n Dittchen.
    Unverhofft kommt nicht so oft und wird dann gerne genommen.
    Allerdings verschenke ich auch gern und ohne Hintergedanken, allerdings auch nur, wenn ich eine zündende Idee habe, nicht, weil ich es aus gegebenem Anlass tun müsste. Da reicht dann auch der von Herzen kommende Glückwunsch.
    Alles nicht so eng sehen. „Ein bisschen Spaß muss sein.“
    .

    ;-)

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    • Ja, selbstverständlich, nun hast du mir den Ohrwurm für den Rest des Tages gesetzt, hihi. Mir geht es auch mehr um diese verschlagene, hinterhältige Art von Geschenken, die im Grunde keine sind. Liebe Grüße, Annette ♪ein bisschen Spaß muss sein😁

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  8. Nicht nur bei Spenden kommt der „Speck“ in Einsatz, auch die meisten Marketing-Aktionen laufen mit Speck… Ein uraltes Mittel und immer wieder fallen die Menschen darauf herein.
    Merci, dass Du diese Thematik hier explizit aufgerollt hast.

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  9. Liebe Annette, als Asperger Mensch gehen solche Erwartungen oft an mir vorbei, weshalb ich meine Spendenbereitschaft gezielt steuere. Zudem bin ich extrem misstrauisch, was öffentliche Gaben angeht, weshalb ich nur hier in Marburg tätig bin, wo ich die Empfänger alle persönlich kenne.

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  10. deswegen halte ich mich mit geschenken zurück. dann muss sich niemand verpflichtet fühlen, mir etwas zurückzuschenken, worauf auch ich schließlich wieder mit einem geschenk reagieren müsste…
    ja, echt schlimm, diese schenkenden leute!

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  11. Ein Geschenk ist ein Geschenk, das bedeutet für mich ohne Verpflichtung. Unter Freunden und in der Familie beschenken wir uns gerne. Vorherrschend ist dabei, wie man an den Geschenken sehen kann, dem anderen eine Freude zu machen.
    Wenn Fremde mir was schenken wollen, frage ich jetzt direkt, ob das ein Geschenk ist oder ob Bezahlung erwartet wird. Bei einem ausdrücklich so genannten Geschenk fühle ich mich nicht verpflichtet. Mir ist so etwas auf Gran Canaria passiert, wo die Betreffenden dann sehr unangenehm wurden. Ich nehme seitdem eigentlich nichts mehr an von Fremden.

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  12. Liebe Annette,
    wenn ich nicht bestellte Dinge erhalte, bezahle ich sie auch nicht. Bei mir geht so etwas Retoure an den Absender, mit dem Vermerk „Porto zahlt Empfänger“ ! Die Firmen schickten mir nie wieder etwas. grins
    Liebe Grüße, Lilo

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  13. In meinem privaten Umfeld ist inzwischen durchaus bekannt, dass von mir darum gebeten wird, Geschenke zu unterlassen. Es gibt nur noch ganz wenige Menschen, denen ich – manchmal auch aus keinem speziellen „großen“ Anlass – Kleinigkeiten schenke, in Form von Büchern, wenn ich den Geschmack kenne: Dann aber schenke ich aus voller Überzeugung und mit größter Freude! Ansonst sind Zeitgeschenke sowieso die kostbarsten …
    Wenn man schenkt, sollte man grundsätzlich umgekehrt überhaupt nichts erwarten – auch nicht, dass das Geschenk „gut ankommt“. Das setzt den Beschenkten unnötig unter Druck.
    Ich habe auch schon einige Male ganz ehrlich ein Geschenk abgelehnt und auch konsequenterweise zurückgegeben. Das war dann so deutlich, dass mir weitere unangenehme Geschenke erspart blieben.
    Ich konnte schon häufiger beobachten, dass völlig unpassend geschenkt wurde. Das Geschenk selbst stieß dann auf keinen erfreuten Beschenkten oder war auch finanziell völlig aus dem Rahmen. Solche Momente finde ich einfach peinlich, vor allem, wenn die Absicht sofort durchschaut werden kann.

    Briefsendungen seitens Institutionen, die Kugelschreiber oder Weihnachtsbillets enthalten und anbei gleich die Aufforderung zur Spende, werden sofort retourniert. Ich finde es interessant, wieviel Geld für Derartiges ausgegeben wird, um Spenden zu sammeln. Geld, das anders besser verwendet werden könnte!

    Beruflich ist es inzwischen in vielen Bereichen sogar verboten, Geschenke anzunehmen. Eben, damit solches, wie in den Kommentaren beschrieben ist, gar nicht mehr die Folge sein kann.

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  14. Deine vorgetragenen Methoden kenne ich aus meinem beruflichen Leben leider sehr gut. So wurde mit Aufträgen gewunken um die erkannten falschen Angaben bei Versicherungen zu decken. Manche luden die Männer gemeinsam in ein Puff ein um die Gemeinsamkeit zu stärken. Auch wurde der Besuch eines Spitzenrestaurants angeboten. Ich habe die Verführungen ausgeschlagen, weniger verdient, aber überlebt.

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  15. gerade las ich von einem Pilotprojekt in Bologna: das erste europäische „„Smart Citizen Wallet“ – zu deutsch: du sammelst Punkte für sozial akzeptables Verhalten, dafür kassierst du dann Belohnungen.. Wir kennen es bisher aus China. Welche Art von Belohnungen es sein werden? Nun, vielleicht bekommst du dann Zinsen auf dein Spargeld. aber wahrscheinlich reicht das Versprechen, dass du deine „Priviegien“ nicht verlierst, wie schon zuvor bei den „Maßnahmen“ wegen Covid. Du darfst weiter Auto fahren, dein Bankkonto benutzen, reisen, die Öffis benutzen, dich bei der „Tafel“ anstellen, öffentliche Räume betreten, Steuererleichterungen und Kredite beantragen…. was weiß ich. Viel Speck für Mäuse. (Noch ist es freiwillig, doch natürlich: Sammelst du keine Punkte, bist du ein asoziales Subjekt, ein Wallet-Verweigerer und bald eine Unperson)
    Liebe Grüße

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  16. wenn eine Rose ihren Duft verschenkt, fragt sie nicht: was bekomme ich dafür? Diese Art beschenkt zu werden, gefällt mir. Wenn mir jemand eine Rose schenkt, dann muss ich mein Herz öffnen, um die Rose anzunehmen. Und wenn mein Gegenüber sich dann nicht an meiner Freude freut, sondern etwas zurück erwartet, dann hat mein Gegenüber eben Pech gehabt…

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  17. „Dankbarkeits-Verpflichtungsfalle“ – ein interessanter Begriff, leibe Snette.
    So fuehle ich mich, wenn ich hierzulande Adressenaufkleber mit meinem Namen und meiner Adresse von wohltaetigen Organisationen zugeschickt bekomme, mit der Bitte um eine Spende. Ich habe dann immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich die behalte und verwende, aber nichts spende. So ging es mir frueher in Deutschland, wenn ich Postkarten „mit dem Munde gemalt“ zugeschickt bekam.
    Liebe Gruesse,
    Pit

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    • Lieber Pit, das mit den „Mundmaler-Karten“ kann ich sehr, sehr gut verstehen. Über Jahre hinweg habe ich die immer zu Weihnachten bekommen – und auch IMMER bezahlt, auch wenn ich einiges davon nicht brauchte. Aber es war so viel Bewunderung und Mitfühlen in mir, dass ich mir einfach schäbig vorgekommen wäre, dieses Geld nicht zu überweisen – ich sah es ja noch nicht mal als „Spende“ an, denn ich hatte ja was dafür bekommen.
      Dieses Jahr war ich aber echt im Zweifel. Ich hatte schon mal geschrieben, dass ich diese Sendungen nicht mehr haben möchte – und jetzt bekam ich eine Frühjahrssendung. Die Karten sind so schön, dass ich sie sicher sogar ver-schreiben werde und natürlich auch bezahlt habe. – Vielleicht bekomme ich stattdessen die ungewünschten Weihnachtskarten nicht mehr.
      Gruß von Clara

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      • Liebe Clara, wie perfide, von Weihnachten auf Frühling umzustellen. Ich hoffe, du hältst uns auf dem Laufenden, wie es mit den Karten weiter geht 😉 Danke dir und liebe Grüße, Annette

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        • Entschuldige, liebe Annette, ich finde das nicht perfide, da sie immer ganz groß in ihren Sendungen schreiben, dass man weder bezahlen muss noch behalten noch … noch … noch.
          Ich finde diese Menschen schon ohne Hände, Arme oder mit Lähmungen so vom Leben gestraft, dass ich ihre Kunst gern bezahle. Den Monatskalender, der immer Weihnachten dabei ist, habe ich mit Freude auf meiner Schrankwand stehen.
          Ich könnte mit zwei gesunden Händen nicht halb so gut malen wie diese Künstler mit dem Mund oder den Füßen.

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          • Ich kenne diese Karten und bin von den Künstlerinnen auch immer sehr beeindruckt. Was ich jedoch nicht in Ordnung finde, ist das Verhalten der Organisation, bei einer Abbestellung der Weihnachtskarten ungefragt auf Frühlingskarten umzustellen. Eine einmalige Abbestellung sollte reichen und nicht zur Verlagerung der Produktart Frühling o. a. führen, was ich durchaus als imageschädigend für die Organisation dahinter (nicht für die Künstlerinnen) einstufe. Dieses Verhalten kann langfristig den Künstler*innen mehr schaden als nutzen

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            • Da magst Du natürlich recht haben. Aber entweder habe ich die Abbestellung zu schlampig gemacht oder die nicht angekommen oder nicht angenommen worden. Ich werde Weihnachten sehen, ob ich ein neues Päckchen bekomme. Also tschüss

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  18. Ich glaube, dass man das nicht pauschalisieren kann. Es kommt immer auf die Situation an: Kennst du denjenigen oder ist er dir fremd, bist du zu Hause oder in fernen Ländern, bist du gut gelaunt oder gerade unzufrieden, bist du, bzw. der Gebende alleine oder in einer Gruppe, hast du bereits gute oder schlechte Erfahrungen gesammelt, ….
    Dennoch danke für den Gedankenanstoß :-)
    Liebe Grüße Bea

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